Die Transformationsebenen der Agrarökologie

Die Klimakrise ist so weit fortgeschritten, dass eine soziale und ökologische Neuorientierung der Landwirtschaft und der Ernährungssysteme keinen Aufschub duldet. Das holistische Konzept der Agrarökologie bietet Antworten auf die vielfältigen Probleme, die von der industriellen Landwirtschaft verursacht werden: Bodendegradation, Pestizidvergiftungen, Biodiversitätsverlust, hohe THG-Emissionen, Wasserknappheit, Landraub. Der Wissenschaftler Steve Gliessman beschreibt anhand von fünf Ebenen, wie eine Umstellung auf agrarökologische Ernährungssysteme ausgestaltet werden könnte bzw. müsste.

Quelle: Transformationsebenen nach Steve Gliessman
https://www.tandfonline.com/doi/pdf/10.1080/21683565.2015.1130765?needAccess=true

Die Ebene 1 „Verbesserung der Effizienz“ beschreibt die derzeitige Situation, die von Befürworterinnen der industriellen Landwirtschaft als Königsweg propagiert wird. Sie adressiert jedoch nicht die Ursachen für die Probleme in der Landwirtschaft: Produktivitäts- und Leistungssteigerung um jeden Preis, hoher Düngemittel- und Pestizideinsatz, Verengung auf wenige Saatgutsorten und Nutztierrassen, betriebliche Spezialisierung, großflächiger Anbau von Agrarrohstoff-Monokulturen, Machtungleichgewichte zulasten von bäuerlichen Produzenten und Arbeiterinnen, hoher fossiler Energieeinsatz, lange Transportwege. Es ist zudem nachgewiesen, dass trotz sinkender Emissionsintensität, d.h. der Reduzierung der Emissionen pro Kilogramm Fleisch und Milch, die Emissionen im Fleisch- und Milchbereich insgesamt gestiegen sind.

Ebene 2: Agrarökologie baut auf den Prinzipien des ökologischen Landbaus auf. Folglich ist eine Umstellung auf eine ökolo-gische Landwirtschaft ein erster, wichtiger Schritt (Ebene 2). Eine Studie des Thünen-Instituts unterstreicht die bedeutenden Leistungen des Ökolandbaus für Umwelt und Gesellschaft. Gleichwohl führt er nicht automatisch zu diversifizierten Anbausystemen, die der Schlüssel für mehr Bodenfruchtbarkeit, biologische Vielfalt und Resilienz sind. Billige Arbeitskräfte und lange Transportwege sind auch im Ökolandbau beobachtbar, die Vermarktungsstrukturen ähneln immer mehr jenen der konventionellen Landwirtschaft. Erst wenn der Ökolandbau mit einer Umgestaltung der Agrarökosysteme auf Hof- und Landschaftsebene sowie der Vermarktungswege einhergeht, erreicht er sein volles Potenzial.

Ebene 3: Hier geht es jenseits der Inputsubstitution um die Integration von pflanzlicher und tierischer Biodiversität ins Anbausystem, so dass komplexe, biologische Interaktionen und Synergien verstärkt und die Bodenfruchtbarkeit verbessert werden. Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass diversifizierte Anbausysteme zwischen 20 und 60 Prozent höhere Erträge erzielen als der Anbau von nur einer Ackerpflanze. Gleichzeitig sind die Kosten niedriger, weil teure Düngemittel und Pestizide sowie teures Hybridsaatgut, das jedes Jahr neu gekauft werden muss, eingespart werden können. Pflanzliche Reststoffe werden verwendet und damit effizient genutzt, dies ist in kleineren Betrieben stärker der Fall als in größeren.

In agrarökologischen Anbausystemen sind vielfältige Kombinationen von Tier-Pflanzen-Systemen, Tier-Forst-Systemen oder Tier-Pflanze-Forstsystemen möglich. Beispielsweise werden Enten oder Fische im Reisanbau im südlichen China eingesetzt, die Methan- und Lachgasemissionen konnten so effektiv reduziert werden. Die Viehhaltung basiert in agrarökologischen Anbausystemen auf Weidehaltung oder der Verwendung von (restebasierten) Futtermitteln, die auf dem Hof oder lokal produziert werden. Jüngere Forschungen haben ergeben, dass mit steigender Größe der Betriebe die Diversifizierung auf Produktions- und Nährstoffebene sinkt, das heißt kleinere Betriebe sind diversifizierter und resilienter. Laboruntersuchungen im Südwesten Chinas zeigten, dass in-situ erhaltene Saatgutsorten eine höhere genetische Vielfalt aufweisen als ex-situ erhaltene Sorten, die 30 Jahre eingelagert worden waren.

Ebene 4 und 5 zielen auf eine grundlegende Umgestaltung der Ernährungssysteme ab. Die Verbindungen zwischen Bauern und Bäuerinnen sowie Verbraucherinnen werden gestärkt. Nahrungsmittel, die lokal hergestellt werden, werden von Verbraucherinnen wertgeschätzt und mit ihrem Kauf unterstützt. Bauern und Bäuerinnen sind in lokale und regionale Weiterverarbeitungssysteme und Vermarktungsnetzwerke eingebunden und erzielen faire bzw. kostendeckende Preise. Beispiele stellen Bauernmärkte, solidarische Landwirtschaft, Verbraucherkoopera-tiven und andere Vermarktungsalternativen mit kürzeren Wegen dar. Wenn die Umgestaltung der Agrarökosys-teme und die neuen Marktbeziehungen voll entwickelt sind, werden lokale, demokratische, gerechte und naturnah ausgestaltete Ernährungssysteme erreicht (Ebene 5).